Professor bodenlos …
Was Dr. Helmer Schack-Kirchner, Professor am Lehrstuhl für Bodenökologie an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg für 2016 für uns an Eingebungen und freudigen Überraschungen bereithält, lässt auf ein interessantes Jahr für jeden Waldliebhaber hoffen – zumindest auf ein Jahr grandioser Durchbrüche in Sachen wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Auf dem Programm der 17. Tagung des Kuratoriums für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF) steht unter 4.1 “Fokusthema: Befahrung empfindlicher Standorte” das Thema an: 4.1.4 “Rückegassen zwischen Bodenschutz, Technik, Ökologie und Waldästhetik”
Permanente Rückegassen seien die wichtigste Säule des Bodenschutzes bei der mechanisierten Holzernte, wird dort angekündigt – nun gut.
Wenn die Fahrbewegungen langfristig auf diese Linien konzentriert werde, erreiche man für den größten Teil der Waldfläche einen bodenphysikalischen Totalschutz, heißt es dort.
Ich beginne nachzudenken, z.B. über den Inhalt des Begriffes “Totalschutz” und die Frage, was denn wohl der größte Teil der Waldfläche im Sinne seiner Definition sein könne.
Bei Gassenabständen von 20 m wie auch heute noch in den Niedersächsischen Landesforsten als Standard im Regierungsprogramm LÖWE (Langfristige ökologische Waldentwicklung) vertreten, beträgt die rechnerische Befahrung von Waldböden pro Hektar 20%, in der Praxis mindestens 25%.
Da die Altlasten früherer Gassenabstände (in der Regel 25m oder 30m) kaum oder überhaupt nicht bei der Neuanlage des Harvester-Gassensystems berücksichtigt wurden, dürfte der tatsächliche Flächenanteil befahrener Waldböden aller Bodenempfindlichkeits-Grade im schädigungsrelevanten Zeitraum bei 30 bis 40% liegen.
Genauere Einschätzungen pro Flächeneinheit im Sinne von Vorbelastungskarten, wie von Bodenkundlern seit langem gefordert, sind seltene Ausnahmen.
Der Herr Professor (Professoren liegen fast immer richtig; sie sind schließlich Wissenschaftler) könnte dann immer noch richtig liegen, zumindest mit seiner Aussage, dass der Größte Teil … usw. –
Der größte Teil sind nämlich 51% und mehr.
Der Herr Professor mit seinem totalitären Schutzpostulat stellt im Weiteren fest, dass auf der Rückegasse der Bodenschutz nicht im Vordergrund stehe, sondern die Erhaltung ihrer technischen Befahrbarkeit.
Ich lese noch einmal und vergewissere mich, dass es sich um einen Lehrstuhl für Bodenökologie handelt, an dem der Herr Professor offenbar unbehindert wirken darf.
Sind nicht Rückegassen per materiell- und formalrechtlicher Definition Teile der Waldböden, die wiederum das unbestritten höchste Schutzgut darstellen?
Der Herr Professor erklärt dann dem zunehmend verblüfften Leser, dass “paradoxerweise” der physikalische Schutz der Waldböden erst seit der konsequenten Einhaltung dieses Prinzips in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sei.
Und er hat auch eine – selbstverständlich wissenschaftlich belegte – Erklärung bereit, wonach die intensive Nutzung der Rückegassen den Technikeinsatz im Wald z.B. durch Gleisbildung für jedermann sichtbar mache; wo doch “aus bodenökologischer Sicht” gerade die Gleisbildung ein wenig geeigneter, “manchmal sogar irreführender Indikator zur ökologischen Bewertung einer Rückegasse” sei.
Ups. Dieser dumme affektgesteuerte waldbesuchende, naturentfremdete Mensch als Teil der Öffentlichkeit!
Die “biologische Vielfalt eines Standortes werde “durch die Rückegassen z.B. durch die eigene Flora” erhöht. Vielfach entstehen gerade in Fahrgleisen neue Habiatmöglichkeiten “und damit auch Ansatzpunkte für eine Strukturregeneration”.
Auch über den gut klingenden Begriff “Strukturregeneration” muss ich einmal nachdenken und wie lange eine Strukturregeneration von Löss, quartärer Geschiebelehme oder Braunerden über mesozoischen Grundgesteinen und deren Ton-Humus-Komplexen dauernd könnte.
Der Herr Professor hat jedoch Verständnis für die unwissende “Öffentlichkeit”, weil die “Ästhetik einer Rückegasse” sicherlich eine “rein subjektive Frage” sei, wenn “frische Fahrgleise im freigelegten Mineralboden” für die “Mehrheit der Waldbesucher” (immerhin mehr als 51% – unter mathematisch-wissenschaftlicher Betrachtung) nun einmal “als hässlich empfunden” werden.
Geht´s noch heftiger?
Ja, denn “im Gegensatz dazu”, so der Herr Professor, könne “eine eingewachsene Gasse in einem Altbestand vielfach als willkommene Abwechslung wahrgenommen werden”.
Tief durch atmen, bevor wir selbst vom Wahrnehmungs- in den Denk-Modus umschalten.
Wie lautet die wissenschaftliche Aussage dieses Wissenschaftlers? Die Entwicklung von Böden mit empfindlicher Struktur dauere Jahrtausende? Ihre Zerstörung sei irreversibel?
Nein, das sagt dieser Wissenschaftler nicht. Er spricht von Totalschutz überwiegender Waldflächen. Er spricht von “willkommener optischer Abwechslung” von Fahrspuren in Altbeständen, zumindest, wenn sie nicht mehr “frisch” seien.
Zu seinem Exkursionsbild sagt der Herr Professor, das an diesem die “vielfältigen Aspekte an unterschiedlich ausgeprägten Fahrspuren, an Bodenprofilen und mit einfachen Bewertungsmethoden diskutiert und Entscheidungshilfen erörtert” werden sollen.
Albert Einsteins Definition von Dummheit ist der Mangel an Überblick. Wir können den intellektuellen Zustand dieses Herrn Professors nicht beurteilen (immerhin ist er Hochschullehrer), wohl aber seine Aussagen. Entweder sind sie durch Dummheit determiniert oder aber bewusst mit einer wissenschaftlichen Attitüde belegt und auf entsprechende Wirkung ausgerichtet.
Dumme Wissenschaftlicher an Universitäten wünschen wir uns im Allgemeinen nicht. Wer aber den Stand von Naturwissenschaft vorsätzlich beugt, um interessengebundene Ziele durchzusetzen, gehört auf den Prüfstand.
Lieber Cluster Forst und Holz, wir sind bezüglich der Waldentwicklungsziele der Zukunft sicher sehr oft nicht auf einer Wellenlänge. Das bringt der notwendige Diskurs nun einmal mit sich, wenn es um das Ringen dessen geht, was richtig sei.
Was Herren wie Schack-Kirchner auf der Plattform des KWF für die Öffentlichkeit bereitstellen, ist bodenlos im Sinne des Wortes. Wer sich mit diesem Wertbild identifiziert, läuft Gefahr, ebenfalls als ernstzunehmender Diskutant auszufallen und allenfalls noch eine kurzweilige Figur in der nächsten Dschungel-Camp-Serie zu sei.
Karl-Friedrich Weber
Biotop und ästhetisches Landschaftselement in einem Buchen-Altbestand, FFH-Gebiet Nordwestlicher Elm, nach der Version von Prof. Dr. Helmer Schack-Kirchner, Lehrstuhl für Bodenökologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg